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Soulisters

Manuela wollte Klarheit. Sie hatte schon lange das Gefühl, nur noch zu funktionieren. So konnte und durfte ihr Leben nicht weitergehen. Sie war jetzt Anfang vierzig und die Frage: "War das schon alles?" tauchte immer öfter auf. Wer war sie eigentlich? Wo waren ihre Träume und Wünsche geblieben? Warum war sie so unzufrieden? Sie hatte doch alles: Kinder, Karriere, einen Mann, ein Haus. Ihre beste Freundin Martina hatte dagegen viele Herausforderungen in ihrem Leben: der Mann hatte sie verlassen, als die Kinder noch klein waren. Das Geld reichte bei ihr nie. Sie wohnte in einer kleinen Wohnung und jobbte sich durch ihr Leben. Aber immer, wenn sie sich unterhielten, sagte Martina zu ihr:" Manuela, mein Leben ist wunderschön!" Wie schaffte sie es, mit so wenig in ihrem Leben so viel Erfüllung zu erfahren? Wie kam es, dass sie trotz der vielen Herausforderungen so zufrieden war mit ihrem Leben? Wenn Martina vom Hier und Jetzt sprach, tat Manuela es oft als esoterisch

Sokrates

Sokrates Cheryl ging wie jeden Morgen an der kleinen Tierhandlung in ihrer Nachbarschaft vorbei. Der Besitzer, Herr Nebel, grüßte sie stets mit einem herzlichen „wunderschönen guten Morgen“. Sie mochte den alten Herrn, der sich rührend um all seine Tiere kümmerte und dem es nicht gleichgültig war, in welche Hände sie kamen. Manchmal, wenn die Zeit es zuließ, plauderten sie eine Weile über dies und das. Heute Morgen stand ein großer Vogelkäfig vor der Tür, in dem ein zerrupfter grüner Vogel saß. Cheryl wunderte sich über den Zustand des Tieres. Da kam auch schon Herr Nebel freudig strahlend zu ihr. „Einen wunderschönen guten Morgen! Na, wie gefällt Ihnen unser Sorgenkind?“ und zeigte auf den Vogel, der ausdruckslos vor sich hin starrte. „Mmmh, er sieht nicht gerade gesund aus,“ sagte sie mit einem zwinkerndem Auge. Sie wollte den alten Herrn nicht beleidigen. „Ja, er ist in einer Art Dauer-Mauser. Das kann passieren, wenn die Vögel einem großen Stress ausgesetzt waren. I

Loslassen, vertrauen und leben

Marion war es wirklich leid, dass sie nicht nur auf der Arbeit den Kürzeren zog. Aus Rücksicht auf ihre Kollegen oder ein anderes mal auf ihre Freunde und täglich auf ihre Familie. "Wo bleibe ich eigentlich bei all dem?" fragte sie sich bitter. Sie hatte früh geheiratet und mit dreißig ihr erstes Kind bekommen. Ihre Tochter Lizzy war heute fünfundzwanzig Jahre. Nur zwei Jahre später kam ihr Sohn Lukas auf die Welt. Sie hatte sofort aufgehört zu arbeiten und sich um die Kinder, das Haus und den Garten gekümmert. Währenddessen hatte ihr Mann Frank Karriere gemacht. Dabei war sie es gewesen, die studiert hatte und als Teenager von einer großen Karriere geträumt hatte.  Lizzy wohnte inzwischen in Hamburg und studierte dort. Anfangs war es Marion sehr schwer gefallen, ihre Tochter loszulassen. Aber inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt. Umso mehr stürzte sie sich in ihren Garten, der laut Frank immer mehr einem englischen Landhaus-Garten glich. Auch hatte sie sich vor über e

Das Spinnrad

Thilo nippte lustlos an seinem Bier. Alles war ihm zu laut und hektisch. Marion schien Spaß zu haben. Er war auch nur mitgekommen, um nicht wieder einen Streit zu beginnen. Streitereien waren ihm zuwider. Und es war in den letzten Wochen, wenn nicht sogar Monaten immer wieder zu Unstimmigkeiten gekommen. Hauptsächlich wegen ihm. Marion war der Meinung, er hätte nur noch seine Tanzschule im Kopf. „Schon seit Monaten waren wir gemeinsam nicht mehr unter Menschen“, musste er sich immer wieder anhören. Sie hatte ja Recht. Ihm war das alles nicht so wichtig wie ihr. Wenn er in seiner Tanzschule war, lebte er. Er liebte die Arbeit mit seinen Schülern. Wenn Aufführungen mit ihnen anstanden, blühte er komplett auf und war wie ausgewechselt. Nur, dass Marion recht wenig für seine Liebe zum Ballett nachempfinden konnte. Als sie sich kennengelernt hatten, war Marion erstaunt darüber, dass ein Mann sein Geld mit Ballett verdiente. Als er dann damals seine Schule eröffnete, wohnten sie noch n

Eine Suche, die nie eine war

Helga starrte aus dem Fenster und nippte gedankenverloren an ihrem Cappuccino. Sie saß regelmäßig in ihrem Lieblings-Café mit Blick auf den wunderschönen See und genoss diesen Ausblick. Und natürlich Alfredo´s mit Liebe gemachten Kaffee. Aber heute grübelte sie mal wieder. Wie so oft in den letzten Monaten. Seit sie ihren Mann mit ihrer besten Freundin in Flagranti erwischt hatte, war ihr Leben nicht mehr so unbeschwert, wie zuvor. Von dem Mann betrogen zu werden, ist schon Herausforderung genug. Jedoch von dem Mann und der besten Freundin - und das gemeinsam - betrogen zu werden war nicht auszuhalten. Sie hatte niemanden mehr, mit dem sie darüber reden konnte. Helga, Anfang fünfzig, hatte sich ihr halbes Leben um die Kinder gekümmert, ihrem Mann in seiner Firma den Rücken frei gehalten und lediglich ihre beste Freundin ab und an gesehen und mit ihr über ihre Sorgen gesprochen. Und jetzt? Wem konnte sie sich noch anvertrauen? Die Kinder, längst aus dem Haus, wollte sie nicht belast